In zwei Tagen, am 8. März, feiern wir den Weltfrauentag – ein Tag, an dem auch und gerade an die Gleichstellung im Arbeitsleben erinnert wird.
Ein Thema, das in der Autobranche, in der Christa als Unternehmerin erfolgreich “ihren Mann” oder sollte ich nicht eher sagen “ihre Frau” gestanden hat, noch heute hochaktuell ist.
Schaut man in die Geschichte, stellt man fest, dass es eine Frau war – Bertha Benz, die 1888 im Benz Patent-Motorwagen Nummer 3 ihres Mannes Carl Benz von Mannheim nach Pforzheim fuhr – angeblich ohne Wissen ihres Mannes. Das war nicht nur die erste Autofahrt einer Frau, es war zugleich die erste Überlandfahrt mit einem Auto. Dieses mutige Handeln einer Frau erregte seinerzeit enorme Aufmerksamkeit und trug wesentlich zum schnellen Erfolg der neuen Erfindung bei.
Ansonsten finden sich in den Anfangsjahren des Automobils nur wenige Frauen-namen: Mercedes Jellinek war Namenspatin für die Automarke Mercedes-Benz, Sophie Opel durfte nach dem Tod ihres Mannes Adam Opel die Opelwerke fortführen und Eleanor Velasco Thornton Modell stehen für die berühmte “Emiliy”, die Kühlerfigur von Rolls-Royce.
Neben diesen in den Chroniken eher singulär auftauchenden Frauennamen, war das Thema Auto lange Zeit vor allem Männern vorbehalten. Der Anteil weiblicher Autofahrer blieb zunächst verschwindend gering. Auch die Automobilbranche war von der Herstellung über den Vertrieb und die Wartung fest in Männerhand.
Diese Entwicklung war in Deutschland lange Zeit durch die rechtlichen Rahmenbedingungen vorgezeichnet, die Frauen weniger Rechte einräumten als Männern:
So brachte erst die Weimarer Republik das langersehnte Wahlrecht für Frauen – für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Damit konnten Frauen erstmals im Januar 1919 aktiv und passiv an einer politischen Wahl teilnehmen.
Zwischen 1920 + 1932 wurden mehr als 100 weibliche Abgeordnete in den Reichs-tag gewählt. Ihr Einsatz für die Belange der Frauen wurde von den männlichen Kol-legen leider oft als “Weiberkram” abgetan – und in den wirklich wichtigen politischen Fragen behielten die Männer weiterhin die Oberhand.
Dennoch schaffte die Weimarer Republik für Frauen eine neue Lebenswirklichkeit. Sie konnten sich freier geben und bewegen als ihre Mütter und Großmütter. Fast ein Drittel aller verheirateten Frauen ging einer Erwerbstätigkeit nach – darunter aber überproportional viele Arbeiterinnen und nur wenige Akademikerinnen.
Diese zarten Anfänge der Emanzipation endeten schlagartig mit dem Nationalsozialismus. Nach der Machtübernahme durch die NSDAP im Jahr 1933 wurde ein totalitärer Staat auf rassischer Grundlage mit den uns bekannten menschenverachtenden, ja menschenvernichtenden Ausprägungen errichtet. Das Frauenbild bekam einen völkisch-nationalistischen Anstrich. Man wollte keine Frau, die arbeitet. Die “ideale” Frau sollte viele Kinder gebären. Dem Mann war hingegen die Rolle des Ernährers und Beschützers zugewiesen. Das passive Wahlrecht wurde für Frauen faktisch aufgehoben – ihre Berufs- und Bildungschancen durch Gesetze erheblich eingeschränkt.
Im Zweiten Weltkrieg zeigte sich indes schnell, dass die Männer, die an der Front als Soldaten kämpften, zu Hause fehlten. Sie mussten durch Frauen ersetzt wer-den. In den letzten Kriegsjahren wurden Frauen sogar zur Arbeit in Munitionsfabriken zwangsverpflichtet.
Auch nach Ende des Krieges waren es hauptsächlich Frauen, die sog. Trümmerfrauen, die die Kriegsverwüstungen beseitigten. Dies führte zu einem neuen Selbstbewusstsein der Frauen. Sie wollten sich nun auch am “politischen” Aufbauprozess beteiligen.
Die Aufnahme des Satzes “Männer und Frauen sind gleichberechtigt” in das Grundgesetz von 1949 wurde gegen erbitterten Widerstand aus der Männerwelt von den vier im Parlamentarischen Rat vertretenen Frauen, den “Müttern unseres Grundgesetzes” durchgesetzt. Dieser kurze Satz stellt den größten frauenpolitischen Erfolg der Nachkriegszeit dar. Durch ihn mussten alle Gesetze abgeändert werden, die dem Prinzip der Gleichberechtigung entgegenstanden – und derer gab es viele. Vor allem im Ehe- und Familienrecht bedurfte es grundlegender Reformen, etwa der Abschaffung des sog. Gehorsamsparagraphen (§ 1354 BGB) – danach stand dem Mann als Oberhaupt der Familie in allen Fragen des Ehe- und Familienlebens das alleinige Entscheidungsrecht zu.
Es dauerte viele Jahre, bis die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung ihren Weg in das einfache Recht fand – und selbst der Wegfall rechtlicher Abhängigkeiten führte im täglichen Zusammenleben noch lange nicht zu einer faktischen Gleichstellung. Denn das gesellschaftliche Umfeld brachte für die Frauen erneut einen Rollenwechsel. Nach Gründung der Bundesrepublik erholte sich Deutsch-land schnell von den Folgen des Krieges. Mit dem deutschen Wirtschaftswunder in den 1950er Jahren mussten Frauen nicht mehr arbeiten, sondern konnten es sich “leisten”, zu Hause zu bleiben, um sich um Kinder, Küche und Ehegatten zu kümmern – und sie nahmen es hin, dass sie mangels Umsetzung der im Grundgesetz garantierten Gleichberechtigung z.B. bis 1958 ohne Zustimmung des Ehemanns oder Vaters kein Arbeitsverhältnis eingehen durften. Erst 1977 wurde im Eherecht das Leitmodell der “Hausfrauenehe” mit seiner gesetzlich vorgegebenen Aufgabenteilung durch das Partnerschaftsprinzip ersetzt. Die rechtliche Verankerung der Gleichberechtigung im Grundgesetz und ihre praktische Umsetzung klafften lange Zeit weit auseinander. Dies wirkte sich auch auf die öffentliche Meinung aus und führte dazu, dass Arbeitgeber Führungspositionen fast ausnahmslos mit Männern besetzten.
In den letzten Jahren hat sich in puncto Gleichberechtigung viel getan. Frauen sind inzwischen aus Positionen mit Führungsverantwortung nicht mehr wegzudenken. Unsere Bundeskanzlerin ist seit vielen Jahren eine Frau – erstmals hat die Europäische Kommission eine Präsidentin und die Europäische Zentralbank wird ebenfalls von einer Frau geführt. Auch in der Wirtschaft hat der Frauenanteil zugenommen, wenngleich hier Frauen in Führungspositionen noch immer unterdurchschnittlich vertreten sind. Dies gilt vor allem für die Autobranche – die noch heute weitgehend eine Männerdomäne ist. Zwar hat in den letzten Jahren die Zahl der weiblichen Auszubildenden in der Verwaltung und im Verkauf zugenommen. Doch die Chefs sind und bleiben in der gesamten Branche meist männlichen Geschlechts, und auch ans Auto Hand anlegen dürfen oder wollen Frauen nur sehr selten. Von einer tatsächlichen Gleichstellung sind wir gerade in diesem Wirtschaftszweig noch immer weit entfernt.
Vor diesem Hintergrund kann man sich lebhaft vorstellen, auf welche Vorbehalte Christa bei Übernahme der väterlichen Betriebe traf.
Bei zwei Brüdern war ihr die Fortführung des vom Vater aufgebauten Firmenimperiums nicht in die Wiege gelegt. Während die Brüder studierten, kümmerte sich Christa um die kranke Mutter und half im Haushalt. Daneben absolvierte sie eine kaufmännische Lehre und war später im väterlichen Unternehmen für die Tankstellen und den Zubehörhandel zuständig. Als sich der Vater altersbedingt mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurückzog, übertrug er die Verantwortung für das Kerngeschäft, das aus mehreren Autohäusern bestand, auf die Söhne. Damit war die Fortführung des Familienunternehmens in der nächsten Generation eigentlich vorgezeichnet. Aber es kommt im Leben häufig anders als man denkt. Im Mai 1983 verstarb der u.a. für den VW-Betrieb zuständige Bruder plötzlich und unerwartet. Nach diesem Schicksalsschlag entschied der inzwischen fast 80-jährige Vater, dass das gesamte Unternehmen allein von der Tochter fortgeführt werden solle. “Mein Mädchen schafft das”, soll er damals gesagt haben – ein großer Vertrauensbeweis.
Damit wurde Christa – sie war inzwischen fast 40 Jahre alt – praktisch von einem Tag auf den anderen – ohne große Vorbereitung und Einarbeitung – ins kalte Wasser geworfen und lernte erst dann das Schwimmen. Sie stellte sich der großen Herausforderung, übernahm die Verantwortung für die diversen Betriebe des Vaters mit ihren damals insgesamt fast 100 – ganz überwiegend männlichen – Mitarbeitern. Nebenher bildete sie sich in Abendkursen zur Betriebswirtin weiter. Die neue Aufgabe in einer männerdominierten Arbeitswelt war nicht nur für Christa eine Herausforderung, auch ihre Mitarbeiter mussten sich erst an den Gedanken gewöhnen, ab jetzt keinen Chef, sondern erstmals eine “Chefin” zu haben. Nichts Anderes galt für die damals überwiegend männlichen Geschäftspartner und viele Firmenkunden.
Die übernommene Verantwortung meisterte Christa auf ihre eigene Art mit viel persönlichem Engagement, Herzlichkeit und Offenheit. Dabei versuchte sie nie, sich mit männlichen Attributen Geltung zu verschaffen, sondern blieb sich selbst immer treu. Sie konzentrierte das Neuwagengeschäft auf die Marken VW und Audi, investierte und expandierte, baute neue Autohäuser, erweiterte vor allem den Gebrauchtwagenhandel und schaffte neue Arbeitsplätze. Bei ihren unternehmerischen Entscheidungen lag ihr die Region am Herzen, aber sie erkannte – wie schon ihr Vater – auch die Chancen, die sich aus der unmittelbaren Nähe zu Frankreich ergaben. Innerhalb des Unternehmens forderte sie ihre Mitarbeiter, aber sie förderte und lobte sie auch und hatte immer ein Ohr für persönliche Sorgen und Nöte. Zusammen mit den Mitarbeitern bildete sie ein Team, das unter Leitung der Chefin viele Jahre vom Firmensitz an der “Geiger-Kreuzung” in Kehl sehr erfolgreich und über Grenzen hinweg agierte. Dabei legte sie großen Wert auf Kundenbindung, getreu dem von ihr und ihren Mitarbeitern gelebten Motto “Service mit Herz”. Die stets von ihr selbst organisierten und sehr persönlich gestalteten Firmenveranstaltungen, etwa anlässlich der Einweihung neuer Firmengebäude oder der Vorstellung eines neuen Automodells erlangten im Laufe der Jahre in der Region gar einen gewissen “Kultstatus”.
Auch wenn Christa am Ende ihrer Unternehmertätigkeit die eine oder andere Enttäuschung hinnehmen musste und nicht alle selbst gesteckten Ziele erreichte, so haben doch die unternehmerische Herausforderung und der Mut, mit dem sie sich viele Jahre in einer Männerdomäne erfolgreich durchgesetzt hat, ihr Leben geprägt. Sie war gegen jede Form von Diskriminierung. Für sie waren Männer und Frauen nicht nur gleich, sie anerkannte die Leistung von Frauen, die sich in den verschiedensten Bereichen engagierten und Verantwortung übernahmen, und förderte Projekte und Aktivitäten von Frauen im weltweiten Kampf gegen die Diskriminierung und für die Gleichberechtigung von Frauen.